Politischer Aschermittwoch der Eppsteiner Liberalen

06.03.2017


„Deutschland vor der Wahl – Eine Nation lebt von der Substanz“: Prof. Karl-Heinz Paqué hat zum Heringsessen der Eppsteiner Liberalen an Aschermittwoch vor rund 120 Gästen die politische Garnitur beigesteuert. Paqué, prominenter Volkswirt und Dekan der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, ehemaliger Finanzminister Sachsen-Anhalts und ein anerkannter Experte für internationale Wirtschaft, legte dar, wie sehr das derzeit erfreuliche Bild der deutschen Wirtschaft gefährdet ist – trotz Beschäftigung auf Rekordniveau, trotz sprudelnder Steuereinnahmen des Staats, ausgeglichener Haushalte und (moderatem) Wachstum bei niedriger Inflation.

Die Zukunftsfähigkeit Deutschlands stehe vor großen Herausforderungen, die mit einseitiger Beschränkung auf ökologische Politik nicht gemeistert werden können: demografischer Wandel, steigende Beanspruchung des Steuerzahlers für die Finanzierung des Rentensystems, zu geringe Gründerkultur, veraltete Infrastruktur.

Wie er ausführte, wird die Generation der Babyboomer in den nächsten Jahren aus dem Berufsleben ausscheiden. Damit werde sich das Potenzial der Erwerbspersonen nicht nur quantitativ drastisch verringern. Die bisher am besten ausgebildete Generation verabschiede von der deutschen Wirtschaft. Das industrielle Rückgrat der viel gerühmten Ingenieurskunst gerate in Gefahr. Zu wenig Lehrlinge in technischen Berufen, zu wenig Fachleute in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – in Zeiten rasanten technischen Wandels machen sich Knowhow-Defizite umso dramatischer bemerkbar. Umso dringender werde deshalb ein qualifiziertes Einwanderungsgesetz benötigt.

Eine vitale Gründerkultur, die die beschriebene Entwicklung mildern könnte, wird laut Paqué schmerzlich vermisst. Er forderte deshalb, ihr durch Deregulierung von Arbeits-, Sozial- und Baurecht einerseits und mittels steuerlicher Begünstigung von „Start-ups“ andererseits  auf die Beine zu helfen, begleitet durch zusätzliche staatliche Investitionen in Universitäten, Fachhochschulen und Forschungseinrichtungen, die der unverzichtbare Nährboden einer Gründerszene seien.

Den Infrastrukturnetzen für Kommunikation und Verkehr bescheinigte er eine im internationalen Vergleich bestenfalls durchschnittliche Qualität. Im Zeitalter flächendeckender Digitalisierung müssten die Datennetze durch einen Entwicklungssprung verbessert werden, um die Anforderungen von Industrie 4.0 und ihrer Folgen zu bewältigen. Datenaustausch zieht steigendenMobilitätsbedarf nach sich. Deshalb müsse auch deutlich mehr in die Verkehrsinfrastruktur investiert werden

Und schließlich das „Rentenproblem“. So erfreulich es sei, dass die Lebenserwartung steige, die Finanzierung der Renten

stehe vor gewaltigen Schwierigkeiten. Auf dreifache Weise sei versucht worden, sie zu beheben: Beiträge erhöhen, Leistungen senken, Lebensarbeitszeit verlängern. Was nicht habe verhindern können, dass der Steuerzuschuss zur Rentensicherung steigen musste. Dabei wäre es auch im Sinne sozialer Gerechtigkeit geboten, den täglich hart arbeitenden Bürgern nicht weiter steigende Steuerlasten zuzumuten und sie mit jeder Lohnerhöhung n die Steuerprogression laufen zu lassen.

Und damit schließt sich der Kreis:Die oben skizzierten Umsteuerungen sind auch schon deshalb unverzichtbar, weil anders die Finanzierung einer gealterten Gesellschaft nicht gelingen kann.